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Das Pandämonium des Andrea Cusumano

von Max

Die gestische Malerei

Dass Cusumano, 1973 in Palermo als Sohn einer Deutschen und eines Sizilianers geboren, seine erste Retrospektive gerade in Mistelbach hat, verwundert nicht: Hermann Nitsch, am Ostermontag des Jahres 2022 gestorben, war sein Mentor und Maestro. Und wie der Wiener Aktionist, der das alle Sinne umfassende Orgien Mysterien Theater erfand, strebt er das Gesamtkunstwerk an.

Bereits mit 17 besuchte er die Salzburger Sommerakademie, um bei Georg Eisler Aktzeichnen zu studieren. Zwei Jahre später belegte er einen Kurs für gestische Malerei bei Nitsch: „Ich wusste nicht, wer er war. Aber man sollte sich für Psychologie, Philosophie, Literatur, Musik und Theater interessieren. Das sprach mich an.“

Danach dachte sich Cusumano: „Ach, das hat mir irrsinnig viele Perspektiven eröffnet. Aber das war’s.“ Er hätte nicht geglaubt, dass er Nitsch je wieder treffen würde. „Nach einem Jahr kam jedoch ein Anruf von seiner Frau Rita: Nitsch würde gerne sehen, wie ich mich weiterentwickelt habe.“ Er kam tatsächlich nach Palermo, man verbrachte eine Woche – und es entstand nicht nur eine Freundschaft, sondern auch eine intensive Arbeitsbeziehung: Cusumano übersiedelte nach Prinzendorf und ging Nitsch bei der Partitur für das „Sechs-Tage-Spiel“ zur Hand.

Bei der Uraufführung im Sommer 1998 koordinierte er Musik und Aktion. In der Folge dirigierte er auch dessen Symphonien – etwa in der Bundeskunsthalle Bonn und im Hamburger Bahnhof von Berlin. „Es ist so gut gegangen, dass Nitsch mich immer wieder gefragt hat. Abgesehen von der ,Ägyptischen‘ habe ich alle symphonischen Werke und die Musik zu den meisten Aktionen dirigiert.“ Cusumano betreut daher auch die posthume Umsetzung der zweiten Fassung des „Sechs-Tage-Spiels“ in mehreren Teilen (zu Pfingsten 2025 folgen die letzten drei Tage).

Nebenbei studierte er Psychologie in Palermo, er schuf gestische Bilder (aber in anderen Farben als Nitsch) und blieb, im Gegensatz zu seinem Meister, konkret. Nicht nur in der Malerei, sondern auch in der Erweiterung in den Raum mit Installationen.

Die Kapuzinergruft von Palermo mit den Tausenden Mumien sind im Prinzip eine Inszenierung – und einer der stärksten Einflüsse auf die Arbeit von Cusumano. Ein anderer war Pompeji: Als Kind war ich mit meinem Vater dort, wir sahen die Abgüsse von Leichen. Leben war plötzlich festgefroren. Mich hat das ungeheuer fasziniert. Aktion in die Stille zu bringen: Dies versuche auch ich mit meinen Installationen.“

Die tote Klasse

Ab 2003 studierte er Szenografie in London und beschäftigte sich mit dem Werk von Tadeusz Kantor („Die tote Klasse“): „Für zehn Jahre habe ich fast nur Theater gemacht. Und dann kam diese politische Erfahrung …“

Cusumano war von 2014 bis 2019 Kulturstadtrat von Palermo. Er setzte das italienische Kulturhauptstadtjahr 2018 samt der „Manifesta 12“ um. Er wollte etwas für seine Heimatstadt machen, hätte aber keine politischen Ambitionen gehabt und sich auch nie als Politiker gesehen: „Ich sehe mich als Künstler. Und dafür braucht man Zeit.“

Als sein erster Sohn geboren wurde, stieg er aus – und baute in Palermo eine Schule für Raumdramaturgie auf. Gleichzeitig wollte er zu seinen Wurzeln zurück: „Ich habe meine Erfahrungen mit Installationen und Theater wieder auf die malerische Ebene übersetzt.“ Die neuen Arbeiten sind Kristallisierungen, Assemblagen aus Puppen, Skizzen, Relikten, Fotos und so weiter. Das Pandämonium des Andrea Cusumano – er verwendet dafür das spanische Wort „Retablo“ – besteht aus deformierten Körpern, blinden Kindern, traurigen Gestalten mit schmerzverzerrten Gesichtern – und einem Christus, der wie ein Schmetterling gegen einen Spiegel geklatscht ist. Heftig.

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