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People of Color: Vergesst „Bridgerton“ – lest Dumas!

von Max

Am Freitag, 25. März, startet die zweite Staffel des Streaming-Hits „Bridgerton“ auf Netflix. Die erfolgreiche Serie spielt in der englischen Regency Ära, etwa 1811 bis 1820, als König George III. zu krank zum Regieren war. Die Serie verbindet das Flair von Jane Austens Kostümdramen mit höfischen Ränkespielen à la „Gefährliche Liebschaften“. Doch noch auffallender ist die Besetzung: Durch die Bank übernehmen People of Color (PoC) tragende Rollen, am prominentesten ist die der englischen Königin. Damit gehen die Macher der Serie über das Konzept einer „farbenblinden Rollenbesetzung“ weit hinaus (Beispiele dafür wären etwa die Shakespeare-Verfilmungen „Viel Lärm um Nichts“ oder „Macbeth“ jeweils mit Denzel Washington). Nein, hier wird eine kontrafaktische Welt geschaffen, die auf der Theorie aufbaut, dass die englische Königin Charlotte von Mecklenburg-Strelitz über ihre portugiesischen Vorfahren auch afrikanischer Abstammung sei und sich nun aktiv für Gleichberechtigung von PoC einsetze.

So spannend wie das auch scheint, sollte man nicht vergessen, dass die reale Welt des 18. Jahrhunderts viel durchmischter war, als sie heute dargestellt wird. Schon das Frankreich des Ancien Regime und der folgenden Revolution brachte immerhin einen „Mozart noir“ und einen farbigen General hervor, dessen wahres Leben Vorbild für die größten Abenteuergeschichten der Literatur werden sollte.

Fechten und Musik

Chevalier de Saint-Georges, porträtiert von Mather Brown. – © Wikipedia

Nur wenige Musikkenner werden etwas mit dem Namen Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, anfangen können. Dabei gilt er als einer der ersten PoC, dessen musikalisches Schaffen überlebt hat und der mit allen Größen der damaligen Musikwelt, sei es Mozart oder Hadyn, bekannt war. Wahrscheinlich 1745 auf Guadeloupe geboren, war er der uneheliche Sohn des Adeligen George de Bologne de Saint-Georges mit einer Sklavin. Er wuchs in Frankreich auf und erhielt die beste Ausbildung in der Fechtkunst und der Musik. Noch als Student bewies er seine Fähigkeiten, als er in einem Duell einen Fechtmeister besiegte, hatte dieser ihn doch als „Mulatten“ beschimpft. Joseph wurde später in die königliche Garde aufgenommen und konnte danach den Titel Chevalier tragen. Zu einem umschwärmten Fixpunkt der höfischen Gesellschaft wurde er durch seine musikalischen Fähigkeiten: Er trat als erster Violinist dem Concert des Amateures bei und komponierte in Folge zahlreiche Stücke. 1776 stand er kurz davor, die Pariser Oper zu übernehmen. Aber egal wie viel Puder und Rouge er auftrug, seine Abstammung sollte ihm diesen Karrieresprung doch verhindern. Wertschätzung erlangte er weiterhin bei seinen adeligen Gönnern. Insbesondere Königin Marie Antoinette hielt große Stücke auf ihn und musizierte selbst mit ihm. In der Popkultur brachte Joseph es damit immerhin zu einem namenlosen Kurzauftritt in Sofia Coppolas zuckerlbunten Werk „Marie Antoinette“ von 2006.

Dem echten Joseph Bologne konnte in Folge während der Französischen Revolution noch ein bemerkenswerter Coup gelingen: Als überzeugter Anhänger der revolutionären Ideale gründete er den wohl ersten militärischen Verband von freien PoC in Europa, die „Légion franche de cavalerie des Américains et du Midi“, auch als „Légion Américain“ bekannt. Immerhin 800 bis 1.000 Mann umfasste diese kurzlebige Einheit, die aus Soldaten der französischen Kolonien bestand. Die zunehmende Paranoia im revolutionären Frankreich sollte aber auch ihn betreffen. Er wurde denunziert und für Monate verhaftet. Schlussendlich verstarb er enttäuscht und verarmt 1799 in Paris.

Noch abenteuerlicher gestaltete sich das Leben eines seiner Armeekameraden aus der Légion Américain, dem späteren Generalmajor Thomas-Alexandre Dumas. Dessen Leben liest sich wie ein Abenteuerroman seines Sohnes Alexandre Dumas.

Marquis Antoine-Alexandre Davy de la Pailleterie aus alten aber verarmten Adel folgte seinem Bruder in die Kolonien ins heutige Haiti. Die dortigen Zuckerplantagen waren von unfassbarer Brutalität geprägt, brachten aber ihren Besitzern riesige Gewinne ein. Antoine-Alexandre zerstritt sich bald mit seinem Bruder, stahl ihm einige Sklaven und flüchtete ins Hinterland. Für die Behörden galt er als verschollen. In Frankreich sollte der Wohlstand aus dem Zuckergeschäft für die Familie nicht von Dauer sein, im Siebenjährigen Krieg versuchte man sich sogar im Schmuggel und Sklavenhandel (bezeichnenderweise von der Insel Monte Christo aus).

Schwieriger Charakter

1775 tauchte Antoine-Alexandre wieder in Frankreich auf. Seine Überfahrt finanzierte er dadurch, dass er seinen Sohn aus einer Beziehung mit einer Sklavin für 800 Livre verpfändete! Egal, was für ein schwieriger Charakter er war, mit dem ersten Geld aus dem Erbstreit in Frankreich holte er jedenfalls seinen Sohn Thomas-Alexandre nach. Und in Frankreich war dieser ein freier Bürger und genoss ein bürgerliches Leben. Von adeliger Herkunft, aber gemischtrassig, trat der hünenhafte Draufgänger unter dem Namen seiner Mutter, Dumas, in die Armee ein und wurde einfacher Kavallerist bei den Dragonern. Im Normalfall hätte seine Karriere vielleicht bis zum Unteroffizier gereicht, in der Revolution konnten seine Fähigkeiten ihn noch viel weiter bringen: Er nahm als Korporal eine ganze Gruppe von feindlichen Österreichern gefangen und schnell kletterte er die Karriereleiter hinauf. Als Saint-Georges seine Legion aufstellte, entsprang ein wahres „Bietergefecht“ darüber, wer nun diesen Helden in seinen Reihen aufnehmen durfte. Es folgten immer höhere militärische Aufgaben, bis er schließlich als General am Ägypten-Feldzug Napoleons 1798 teilnahm.

Scheitern an Bonaparte

Am politischen Opportunismus Bonapartes sollte seine Karriere scheitern, am Rückweg aus Ägypten wurde Dumas gefangen genommen, aus neapolitanischer Gefangenschaft konnte er erst 1801 als Schwerkranker entlassen werden. Er verstarb 1806. Bis heute weltberühmt sind sein Sohn und auch sein Enkel: Alexandre Dumas der Ältere als Verfasser von Romanen wie „Die drei Musketiere“ oder eben des „Grafen von Monte Christo“, der jüngere Dumas für seine „Kameliendame“.

Diesen realen Hintergrund vor Augen, sollte man vielleicht zwischen der einen oder anderen neue Folgen von „Bridgerton“ einen kurzen Blick in die Biografie „The Black Count“ von Tom Reiss über den General Dumas werfen oder ein Stück von Saint-Georges hören. Immerhin soll dieser ja sogar Beethoven beeinflusst haben. Wobei der bräunliche Teint und die schwarzen Augen Beethovens immer wieder Stimmen laut werden lassen, dass . . . – doch das wäre dann ja wohl wieder eine neue Idee für die Produzenten von Netflix.

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