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Wahlzuckerl-Warnung des Fiskalrats | Wiener Zeitung

von Max

Keine Regierung liebt den Fiskalrat. Das Gremium hat den Job, über die finanzielle Stabilität Österreichs zu befinden. Und warnt vor Wahlzuckerln in diesem Jahr.

Das 15-köpfige Gremium ist besetzt mit Ökonom:innen, die die Regierung selbst, Wirtschafts- und Arbeiterkammer, Landeshauptleutekonferenz, Gemeinde- und Städtebund entsenden und hat den Job, über die finanzielle Stabilität Österreichs zu befinden. Das tut der Rat öffentlich – und unter der Präsidentschaft des ehemaligen WU-Rektors und Wifo-Chefs Christoph Badelt macht er das recht effektiv.

Besonders unangenehm ist es für die Regierung, wenn der Fiskalrat ihr gleich zweimal binnen weniger Tage die Leviten liest. Genau das ist in den vergangenen Tagen passiert. Zuerst hat der Rat bekanntgegeben, dass Österreich seine EU-weit vorgegebenen Finanzziele, die „Maastricht-Kriterien“, verpassen dürfte und das Budget daher rasch auf Kurs zu bringen wäre. Und zweitens, dass eben aus diesem Grund Wahlzuckerl-Fasten angesagt wäre.

Und weil uns der Wahlkampf bevorsteht und damit die Versuchung, noch vor der Wahl ein paar Geschenke zu verteilen, um uns Wähler:innen gewogen zu stimmen – Gerüchte über eine Pensionserhöhung deutlich über der Inflation und ein besonders großzügiger Klimabonus für heuer machen schon länger die Runde – zahlt es sich auf alle Fälle aus, die Finanzlage noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

So schaut zunächst einmal die Gesamtlage aus, die Zahlen für 2024 und 2025 entsprechend der Prognose des Fiskalrats:

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Was wir hier sehen, ist das jährliche gesamtstaatliche Defizit – also wie viel Bund, Länder und Gemeinden in jedem Jahr mehr ausgegeben als eingenommen haben und dafür neue Schulden aufgenommen haben – in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Relation nimmt man als Maßzahl, weil – so die Idee – ein Staat, der wächst, seine Schulden mittel- bis langfristig abzahlen wird können. Das spiegelt sich in der Gesamtleistung der Wirtschaft wider – und damit im BIP.

In der Grafik oben sehen wir vor allem zwei Ausreißer nach unten: Die Bewältigung der Finanzkrise hat 2009 und 2010 zu stärkeren Ausgaben geführt, den tiefsten Riss brachten dann die Corona-Krise bzw. die Hilfsmaßnahmen dagegen ab 2020.

Deutlich über dem Drei-Prozent-Ziel

In den EU-Finanzierungsregeln – den im Vertrag von Maastricht fixierten „Konvergenzkriterien“, wie sie technisch heißen – ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten sich jährlich nicht mehr als zu drei Prozent ihres BIP verschulden sollen. Und während diese Regeln während der Covid-Aufarbeitung gelockert waren, sollten wir jetzt eigentlich wieder unter diese drei Prozent kommen.

Das dürfte aber, infolge höherer Ausgaben durch Inflation, geringerem Wirtschaftswachstum und einer hohen Belastung durch Maßnahmen gegen beides, weiter außer Reichweite bleiben, befürchtet der Fiskalrat. Details hat Badelt dazu vergangene Woche im Gespräch mit der „ZIB 2“ erklärt. Seine Kernbotschaft: Jetzt bitte keine Wahlgeschenke, denn wir haben eigentlich nicht einmal mehr genug Spielraum für die Sachen, die unbedingt notwendig sind.

Von Zuckerln wird man fett

Um dem Nachdruck zu verleihen, hat der Rat auch noch eine – abschreckende – Zusammenstellung der Wahlzuckerl aus früheren Jahren veröffentlicht. Er definiert als Zuckerl Maßnahmen, die im Jahr einer Nationalratswahl im Bund beschlossen wurden und entweder gegen die Stimmen eines der bisherigen Koalitionspartner durchgesetzt worden sind oder nicht im Regierungsprogramm enthalten waren. Dazu gehören etwa diverse Pensionserhöhungen über der Inflationsrate, die Abschaffung der Studiengebühren und die Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente 2008, die Einführung des „Pendlereuro“ 2013, die Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe 2017 oder die Valorisierung des Pflegegelds 2019.

Heuer sollte uns ein relativ zuckerlarmes Jahr bevorstehen.

An dieser Aufzählung – die ganze Tabelle findet ihr hier – sieht man schon: Da sind einige Maßnahmen darunter, die man durchaus als recht vernünftig einstufen kann. Aber das ist Budgetpolitik natürlich immer – die Abwägung dessen, was man gern machen würde gegenüber dem, wofür man den finanziellen Spielraum hat.

In Summe wird das aktuelle Budget bei geplanten Ausgaben von 123 Milliarden Euro und geplanten neuen Schulden von mehr als 20 Milliarden Euro durch die Wahlzuckerl seit 2008 mit mehr als vier Milliarden Euro belastet.

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Einen interessanten Zusammenhang hat dabei Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik hergestellt: Koalitionsdisziplin führe auch zu fiskalischer Disziplin, schreibt Ennser-Jedenastik auf Twitter:

„2008: Koalition bricht => 1,05 Mrd (im J 2024)
2013: Koalition hält => 239 Mio
2017: Koalition bricht => 635 Mio
2019: Koalition bricht => 2,2 Mrd“

Nachdem die gegenwärtige türkis-grüne Koalition bis zum Ende halten dürfte – die Wahl Ende September ist praktisch fix – sollte uns heuer ein relativ zuckerlarmes Jahr bevorstehen. Darauf sollten nicht nur den Fiskalrat, sondern auch die Steuerzahler:innen hoffen.


Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte. Diese Woche hat ihn eine Studie des Fiskalrats besonders beschäftigt.

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